Förderung und Überprüfung der Kompetenz "Sprechen" im Fremdsprachenunterricht
Die Entwicklung aller kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist neben der Ausprägung interkultureller und methodischer Kompetenzen das zentrale Anliegen des Unterrichts in den modernen Fremdsprachen. Dabei wird in den Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss und für die allgemeine Hochschulreife außer dem Schreiben, dem Lesever-stehen, dem Hör-und Hörsehverstehen und der Sprachmittlung vor allem dem sach- und adressatengerechten Sprechen ein hoher Stellenwert beigemessen. Schülerinnen und Schü-ler lernen zunehmend sich in möglichst authentischen Situationen adäquat auszudrücken. Die Sprache in Kontext und Gebrauch steht im Vordergrund. Motivierende, herausfordernde Aufgaben und Übungen holen die Lernenden aus der Rezipientenrolle heraus und lassen sie zu aktiven und kreativen Sprachenanwendern werden. Der Fremdsprachenunterricht wird authentischer, kommunikativer, aktiver für die Lernenden, die nur durch eigenes Sprechen und Aussprechen, durch selbstständiges Aushandeln von Situationen in der Fremdsprache die Sprache tatsächlich so lernen können, dass sie sie rezeptiv und produktiv beherrschen. Diese stärkere Betonung der Mündlichkeit erfordert nicht nur neue Aufgabenstellungen, sondern auch neue Formen der Leistungsfeststellung und -beurteilung.
Im Folgenden sollen daher die rechtlichen Voraussetzungen für die Förderung und Überprü-fung der Kompetenz „Sprechen“ im Fremdsprachenunterricht dargestellt werden, wie sie in der entsprechenden Verwaltungsvorschrift und in den Bildungsstandards gegeben sind. Darüber hinaus werden Links zu Hinweisen zur Durchführung von mündlichen Überprüfungen und deren Bewertung sowie zu organisatorischen Fragen angegeben. Alle Beispiele und Materialien haben keinen verpflichtenden Charakter, sondern verstehen sich als Anregungen und Empfehlungen.
Rechtliche Voraussetzungen – Leistungsfeststellung im Fremdsprachenunterricht – Bildungsstandards
Die folgenden Texte sind der Verwaltungsvorschrift zur Zahl der benoteten Klassenarbeiten und den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den mittle-ren Schulabschluss sowie für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife entnommen. Spezielle Passagen zum Aspekt „Mündlichkeit“ sind hervorgehoben.
Verwaltungsvorschrift zur Zahl der benoteten Klassenarbeiten in den Pflichtfächern an Realschulen plus, Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen
(Klassenstufen 5 bis 10)
2.2.2 Moderne Fremdsprachen
In den modernen Fremdsprachen ist insbesondere in der Sekundarstufe I die Vermittlung der Fähigkeit zur mündlichen Kommunikation vordringlich. Um vor allem im Anfangsunterricht das Sprechen zu fördern wird in der 1. Fremdsprache im 1. Halbjahr der 5. Klasse und in der 2. Fremdsprache im 1. Halbjahr der 6. Klasse jeweils nur eine Klassenarbeit geschrieben. Ab dem 2. Halbjahr des 1. Lernjahres kann eine Klassenarbeit oder ein Teil einer Klassenarbeit pro Klassenstufe durch eine gleichwertige mündliche Leistungsfeststellung ersetzt werden.
1. Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den mittleren Schulabschluss (Auszüge)
Funktionale kommunikative Kompetenzen
Die erste Fremdsprache entwickelt systematisch funktionale kommunikative Kompetenzen. Dies bedeutet, dass das Spektrum der fremdsprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten ent-wickelt wird bezogen auf
? die mündlichen Kompetenzen des Hörverstehens, Hörsehverstehens und Sprechens,
? die schriftsprachlichen Kompetenzen des Leseverstehens und Schreibens,
? elementare Formen der Sprachmittlung.
Sprechen
An Gesprächen teilnehmen
Die Schülerinnen und Schüler können an Gesprächen über vertraute Themen teilnehmen, persönliche Meinungen ausdrücken und Informationen austauschen (B1).
Die Schülerinnen und Schüler können
? soziale Kontakte herstellen durch Begrüßung, Abschied, Sich-Vorstellen, Danken und Höflichkeitsformeln verwenden (A2),
? Gefühle wie Überraschung, Freude, Trauer, Interesse und Gleichgültigkeit
ausdrücken und auf entsprechende Gefühlsäußerungen reagieren (B1),
? ein Gespräch oder eine Diskussion beginnen, fortführen und auch bei sprachlichen Schwierigkeiten aufrechterhalten (B1),
? die meisten Dienstleistungsgespräche und routinemäßigen Situationen bewältigen,
z. B. Umgang mit öffentlichen Einrichtungen während eines Auslandsaufenthaltes, Einkauf, Essen (B1),
? in einem Interview konkrete Auskünfte geben, z. B. in Bewerbungsgesprächen (B1+),
? eine kurze Geschichte, einen Artikel, einen Vortrag, ein Interview oder eine
Dokumentarsendung zu vertrauten Themen einem Gesprächspartner vorstellen und Informationsfragen dazu beantworten (B1+),
? in Gesprächen und Diskussionen kurz zu den Standpunkten anderer Stellung nehmen und höflich Überzeugungen und Meinungen, Zustimmung und Ablehnung ausdrücken (B1/ B1+).
?
Sprechen
Zusammenhängendes Sprechen
Die Schülerinnen und Schüler können Erfahrungen und Sachverhalte zusammenhängend darstellen, z. B. beschreiben, berichten, erzählen und bewerten (B1).
Die Schülerinnen und Schüler können
? mit einfachen Mitteln Gegenstände und Vorgänge des Alltags beschreiben,
z. B. Rezepte, Wegbeschreibungen, Spielregeln, Bedienungsanleitungen (A2),
? eine vorbereitete Präsentation zu einem vertrauten Thema vortragen,
wobei die Hauptpunkte hinreichend präzise erläutert werden (B1),
? für Ansichten, Pläne oder Handlungen kurze Begründungen oder Erklärungen geben (B1).
2. Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache
(Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife (Auszüge)
2.1.3 Sprechen
An Gesprächen teilnehmen
Die Schülerinnen und Schüler können sich weitgehend flüssig, sprachlich korrekt und adres-satengerecht sowie situationsangemessen an Gesprächen beteiligen. Sie sind bereit und in der Lage, in einer gegebenen Sprechsituation zu interagieren, auch wenn abstrakte und in einzelnen Fällen weniger vertraute Themen behandelt werden.
Grundlegendes Niveau
Die Schülerinnen und Schüler können
? ein adressatengerechtes und situationsangemessenes Gespräch in der Fremdsprache führen,
? verbale und nicht-verbale Gesprächskonventionen situationsangemessen anwenden, um z. B. ein Gespräch oder eine Diskussion zu eröffnen, auf Aussagen anderer Sprecher einzugehen, sich auf Gesprächspartner einzustellen und ein Gespräch zu beenden,
? angemessene kommunikative Strategien bewusst einsetzen, um mit Nichtverstehen und Missverständnissen umzugehen,
? sich zu vertrauten Themen aktiv an Diskussionen beteiligen sowie eigene Positionen vertreten,
? in informellen und formellen Situationen persönliche Meinungen unter Beachtung kultureller Gesprächskonventionen ausdrücken und begründen,
? zu aktuell bedeutsamen Sachverhalten in Gesprächen oder Diskussionen Stellung nehmen.
Erhöhtes Niveau
Die Schülerinnen und Schüler können darüber hinaus
? sich an Diskussionen zu weniger vertrauten Themen aktiv beteiligen, auf differenzierte Äußerungen anderer angemessen reagieren sowie eigene Positionen vertreten,
? ein adressatengerechtes und situationsangemessenes Gespräch in der Fremdsprache führen und sich dabei spontan und weitgehend flüssig äußern,
? zu aktuellen wie generell bedeutsamen Sachverhalten Stellung nehmen und in Dis-kussionen ggf. verschiedene Positionen sprachlich differenziert formulieren.
Zusammenhängendes monologisches Sprechen
Die Schülerinnen und Schüler können klare und detaillierte Darstellungen geben, ihren Standpunkt vertreten und erläutern sowie Vor- und Nachteile verschiedener Optionen ange-ben.
Grundlegendes Niveau
Die Schülerinnen und Schüler können
? Sachverhalte bezogen auf ein breites Spektrum von Vorgängen des Alltags
? sowie Themen fachlichen und persönlichen Interesses strukturiert darstellen und ggf. kommentieren,
? für Meinungen, Pläne oder Handlungen klare Begründungen bzw. Erläuterungen geben,
? nicht-literarische und literarische, auch mediale Textvorlagen sprachlich angemessen und kohärent vorstellen,
? im Kontext komplexer Aufgabenstellungen eigene mündliche Textproduktionen, z. B. Vorträge, Reden, Teile von Reportagen und Kommentare, planen, adressatengerecht vortragen und dabei geeignete Vortrags- und Präsentationsstrategien nutzen.
Erhöhtes Niveau
Die Schülerinnen und Schüler können darüber hinaus
? Sachverhalte bezogen auf ein breites Spektrum von anspruchsvollen Themen fachlichen, persönlichen und kulturellen Interesses strukturiert darstellen und kommentieren,
? komplexe nicht-literarische und literarische, auch mediale Textvorlagen sprachlich angemessen und kohärent vorstellen und dabei wesentliche Punkte und relevante unterstützende Details hervorheben,
? eine Präsentation klar strukturiert und flüssig vortragen, ggf. spontan vom vorbereiteten Text abweichen und auf Nachfragen zum Thema eingehen.
?
3.2.1 Schriftliche Abiturprüfung in der fortgeführten Fremdsprache (Englisch/Französisch)
3.2.1.1 Struktur der Prüfungsaufgabe
Die schriftliche Abiturprüfung gliedert sich in den verpflichtenden Prüfungsteil Schreiben und einen weiteren Prüfungsteil mit Aufgaben zu unterschiedlichen Kompetenzbereichen.
Im verpflichtenden Teil Schreiben erstellen die Prüflinge einen längeren Text in der Zielspra-che, der auch aus inhaltlich und sprachlich aufeinander bezogenen Textteilen bestehen kann. Ergänzt wird diese Sprachproduktion durch einen weiteren, ebenfalls verpflichtenden Prüfungsteil, der grundsätzlich aus zwei Aufgaben zu unterschiedlichen Kompetenzbereichen besteht, wobei die beiden Kompetenzbereiche aus den folgenden auszuwählen sind: Hörverstehen bzw. Hörsehverstehen, Sprechen, Leseverstehen und schriftliche bzw. mündliche Sprachmittlung. Einer dieser Kompetenzbereiche kann, zugeordnet zur schriftlichen Prüfungsaufgabe, mündlich überprüft werden.
Sind weder Sprechen noch Hörverstehen bzw. Hörsehverstehen Teil der Abiturprüfung, so erfolgt die Überprüfung von mindestens einem dieser beiden Kompetenzbereiche mit dem Gewicht einer Klausur in der Qualifikationsphase.
3.2.1.2 Erstellung der Prüfungsaufgabe
Aufgaben für den weiteren Prüfungsteil Sprechen
Die Sprechprüfung (vgl. Abschnitt, 2.1.3) wird durch einen kurzen Impuls eingeleitet. Werden als Impuls Materialien verwendet, so müssen diese nicht in allen Anforderungsbereichen vertieft bearbeitet werden. Die Sprechprüfung kann als Einzel-, Partner- oder Gruppenprüfung durchgeführt werden. Wird die Form der Partner- oder Gruppenprüfung gewählt, ist durch Begrenzung der Gruppengröße, durch die Themenstellung und die Gestaltung des Prüfungsgesprächs sicherzustellen, dass die individuelle Leistung eindeutig bewertet werden kann.
I Hinweise und Anregungen zur Durchführung einer mündlichen Klassenarbeit in der Sekundarstufe I
Die mündliche Klassenarbeit kann in allen Lernjahren durchgeführt werden. Es ist sinnvoll, bereits im ersten Lernjahr zu beginnen.
Terminierung: Der Termin für die mündliche Klassenarbeit sollte frühzeitig mit der Schulleitung und im Kollegium (Zweitprüfer, Aufsichten) besprochen werden.
Elterninformation: Auch die Eltern sollten bereits am ersten Klassenelternabend des Schul-jahres und/oder in einem Elternbrief informiert werden.
Prüfungsaufgaben: Die Prüfungsaufgaben ergeben sich aus dem Unterricht, sind kompe-tenzorientiert und an den Bildungsstandards und den Niveaubeschreibungen des Gemein-samen Europäischen Referenzrahmens (GER) für die Niveaustufen A1 bis B1 orientiert.
Durchführung und Prüfungsdauer: Es ist sinnvoll, die Schülerinnen und Schüler paarweise zu prüfen. Sie kommen z. B. in einer vorher festgelegten Reihenfolge (siehe Zeitplan) aus ihrem Unterricht in den Prüfungsraum und gehen anschließend wieder in ihren Unterricht zurück, oder sie werden über die Woche verteilt während der Unterrichtszeit geprüft. Für eine Paarprüfung werden etwa 15 - 20 Minuten angesetzt, wobei die reine Sprechzeit je nach Klassenstufe etwa 5 - 7 Minuten beträgt, davon gehen 1 - 2 Minuten an den monologischen Teil und 3 - 5 Minuten an den dialogischen Teil. Die Gruppeneinteilung kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen (Sitznachbarn, Junge/Mädchen, Leistungsstärke).
Prüfer: Die Prüfung soll mit einem Zweitprüfer durchgeführt werden. Die Lehrkraft, die durch die Prüfung führt (Interlocutor), begrüßt, gibt die Aufgabenstellungen aus, liest eventuell (je nach Klassenstufe) die Aufgabenstellung vor, gibt Zeit zum Nachdenken und gibt das Signal zum Beginn des Sprechens. Die protokollführende Lehrkraft (meist die unterrichtende Lehr-kraft) protokolliert und bewertet während der Prüfung mit Hilfe eines Bewertungsrasters (siehe Bewertung)
Prüfungsaufgabe: Sie besteht in der Regel aus mehreren Prüfungsteilen, damit sowohl Präsentation (monologisches Sprechen) als auch Interaktion (Dialogisches Sprechen) be-wertet werden kann. Zwei oder mehr aufeinanderfolgende Gruppen können die gleiche oder eine ähnliche Prüfungsaufgabe erhalten. So wird die Vergleichbarkeit im Anforderungsniveau gewährleistet. Bei einer Klassengröße von 30 Schülerinnen und Schülern genügen drei bis vier unterschiedliche Aufgaben, die leicht variiert werden, in dem man z. B. ein anderes Bild für die gleiche Aufgabenstellung verwendet.
Aufbau einer Prüfungsaufgabe
Sie besteht aus zwei bis drei Teilaufgaben.
• Monologisches Sprechen/Zusammenhängendes Sprechen (Warm up: Kurzpräsentation) z. B. beide Prüflinge ziehen eine Karte aus einem Kartenpool und jeder Einzelne spricht nacheinander und spontan über ein bekanntes Thema des Alltags oder des Unterrichts (je nach Klassenstufe). Die Sprechzeit beträgt ca.1 Minute.
• Monologisches Sprechen/Zusammenhängendes Sprechen (impulsgeleitete Kurzpräsentation): z. B. beide Prüflinge erhalten ein oder zwei (kontrastierende) Bilder/Fotos, über die sie sprechen. Die Sprechzeit je Prüfling beträgt ca. 2 Minuten. Es ist den Prüfungskandidaten eine kurze Einlesezeit zu gewähren, um sich mit den Aufgaben vertraut zu machen.
• Dialogisches Sprechen/An Gesprächen teilnehmen (mit dem Partner vergleichen, aushandeln, diskutieren, argumentieren, Rollenspiele): Die Aufgabenstellung ist so formuliert, dass die Prüflinge entweder kontrovers diskutieren oder zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Die gemeinsame Sprechzeit beträgt ca. 3-5 Minuten. Eine kurze Einlesezeit ist zu gewähren.
Vorbereitung der mündlichen Klassenarbeit im Unterricht
Kompetenzen: Mündliche Klassenarbeiten erfordern eine intensive Vorbereitung im Unter-richt. Mündliche Kompetenzen beruhen auf dem Zusammenspiel verschiedener Teilkompe-tenzen.
• Sprachliche Teilkompetenzen wie phonologische, lexikalische und grammatikalische Kompetenzen oder Fähigkeiten
• Hörverstehenskompetenzen, damit Impulse verstanden und verarbeitet werden
können
• Interkulturelle Kompetenzen und kommunikationsstrategische Kompetenzen, um sich kulturell angemessen zu verhalten (Monologisches Sprechen/Zusammenhängendes Sprechen und Dialogisches Sprechen/An Gesprächen teilnehmen)
• Text- und Medienkompetenz/Lesekompetenz, um Text- und Bildvorlagen und Aufgabenstellungen zu verstehen
• Altersgerechtes Sach- bzw. Inhaltswissen.
Die jeweiligen Niveaustufen orientieren sich am Gemeinsamen Europäischen Referenz-rahmen (GER) und den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Eng-lisch/Französisch) für den mittleren Schulabschluss. http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_12_04-BS-erste-Fremdsprache.pdf
Anforderungen in den KMK Standards: Niveaustufen des GER